Motor [3]

[534] Motor, elektrischer. Während die meisten Arbeitsmaschinen eine konstante Tourenzahl verlangen, welcher Bedingung die Nebenschlußmotoren für Gleichstrom und die asynchronen Motoren für ein- und mehrphasige Wechselströme genügen, wird für manche Betriebe ein Motor verlangt, dessen Tourenzahl sich in sehr weiten Grenzen ändern läßt.

Handelt es sich bei Gleichstrommotoren um die Erhöhung der normalen Tourenzahl, so kann diese durch Schwächung des magnetischen Feldes fast ohne Aenderung des Wirkungsgrades erreicht werden; um jedoch bei bedeutender Schwächung noch funkenfreien Gang zu erzielen, muß der Motor mit Wendepolen versehen sein. – Soll aber die normale Tourenzahl herabgesetzt werden, so kann dies nur durch Verkleinerung der Ankerspannung geschehen, wie dies aus der Formel der EMK des Ankers E = (N0 n z) : 60 ∙ 108 V hervorgeht. Denn bei konstantem Kraftfluß N0 ändert sich die Tourenzahl n proportional der EMK E des Ankers. Die Verkleinerung von E kann durch einen dem Anker vorgeschalteten Widerstand R erreicht werden, denn es ist E = eia (wa + R) wo wa den Ankerwiderstand, e die Klemmenspannung bezeichnet. Die Leistung des Motors sinkt bei dieser Reduzierung mit der Tourenzahl, während der eingeleitete Effekt (der zu bezahlende) konstant bleibt, und es fällt also eine derartige Regulierung für kleine Tourenzahlen sehr unökonomisch aus. Frei von diesem Uebelstande ist die folgende Methode: Der Motor M (Fig. 1) ist für die doppelte Netzspannung, also 2 e Volt gewickelt und macht bei dieser Spannung die höchste Tourenzahl. Er ist alsdann mit einer Dynamo D, die gleichfalls e Volt gibt, und mit der Netzspannung hintereinandergeschaltet. Die Spannung der Dynamo D läßt sich durch den Nebenschlußregulator R und den Stromwender u von – e bis + e Volt einstellen. Soll der Motor angelassen werden, so stellt man zunächst – e Volt ein, d.h. Dynamo und Netz sind gegeneinandergeschaltet, der Motor ist an die Spannung Null angeschlossen. Je mehr man die Spannung der Dynamo herabsetzt, desto höher steigt die Spannung an den Klemmen des Motors. Ist die Spannung der Dynamo Null, so kehrt man mittels des Umschalters U den Erregerstrom um, wodurch die Dynamo mit dem Netz hintereinandergeschaltet wird und der Motor die Summe beider Spannungen erhält.

Soll die Tourenzahl des Motors, nachdem die Dynamo D die höchste Spannung + e erreicht hat, noch weiter gesteigert werden, so kann dies durch Schwächung der Motorerregung Wm ausgeführt werden, wobei auch hier, bei außerordentlicher Schwächung, der Motor mit Wendepolen versehen sein muß. Die Dynamo D besitzt immer Wendepole; ihre Leistung braucht jedoch nur die halbe des Motors zu sein.

Sollen mehrere Motoren gleichzeitig in dieser Weise reguliert werden, so ist, um sie voneinander unabhängig zu machen, für jeden Motor auch eine Dynamo erforderlich. In diesem Falle ist es daher vorteilhafter, mehrere Spannungen zur Verfügung zu haben und die Motoren, je nach der gewünschten Tourenzahl, an die passende Spannung anzuschließen. Das Umschalten von einer Spannung auf die andre geschieht durch geeignete Schaltwalzen. Zur Teilung der vorhandenen Netzspannung von beispielsweise 450 Volt kann man sich an diese vier hintereinandergeschaltete, miteinander gekuppelte, fremd erregte Dynamomaschinen I, II, III, IV angeschlossen denken (Fig. 2), die sämtlich für die gleiche Stromstärke, aber verschiedene Spannungen gewickelt sind. Jeder Motor kann durch Drehen der Schaltwalze an 50, 100, 150, 200, 250, 300, 350, 400 und 450 angeschlossen werden. Im letzteren Falle bekommt er seinen Strom unmittelbar aus dem Netz und die Dynamomaschinen laufen leer als Motoren. War eine Netzspannung nicht vorhanden, so kann man auch jede der hintereinandergeschalteten Dynamomaschinen für sich antreiben [2].[534] Steht nur Drehstrom zur Verfügung, so kann er durch einen Einankerumformer in Gleichstrom der gewünschten Netzspannung umgewandelt werden. – Eine Tourenänderung eines Motors von + n1 auf – n2 erreicht man durch die Leonard-Schaltung, die hauptsächlich beim Antrieb von Hobelmaschinen angewendet wird und in Fig. 3 schematisch dargestellt ist. M I ist ein Motor, der aus dem vorhandenen Netz gespeist wird und eine Dynamo D antreibt; die Spannung dieser läßt sich durch den Regulierwiderstand R1 und einen Stromwender von – e bis + e V ändern. Sie ist durch Leitungen mit einem Motor M II verbunden, der die Hobelmaschine antreibt. Die Erregung dieses Motors läßt sich gleichfalls durch den Widerstand R2 ändern. Der Anker der Dynamo D besitzt ein großes Trägheitsmoment, das eventuell noch durch ein aufgesetztes Schwungrad vergrößert werden kann. Das Einschalten des Motors M II geschieht durch Erregung der Dynamo D von Null bis zum Maximum. Kurz vor dem Rückgang der Hobelmaschine wird das Feld der Dynamo geschwächt, das des Motors verstärkt, wodurch die elektromotorische Kraft des Motors größer wird als die der Dynamo und die letztere Strom aufnimmt, demnach ihre Tourenzahl erhöht, d.h. ihr Schwungmoment vergrößert; der Motor M II wird hierbei stark gebremst und kommt rasch zum Stillstand. Nun wird die Erregung der Dynamo abermals, aber mit umgekehrter Stromrichtung, verstärkt, der Motoranker bekommt Strom von umgekehrter Richtung und läuft daher rückwärts, wobei seine Erregung noch geschwächt wurde. Kurz vor Vollendung des Rücklaufes wiederholt sich die beschriebene Aenderung der Erregerwiderstände. Die lebendige Kraft des Motors geht bei der Bewegungsumkehr nicht verloren, sondern erhöht die lebendige Kraft der Dynamo [2].

Durch Einführung der Drehstrom-Kollektormotoren ist auch bei Drehstrom eine verlustlose Regulierung der Tourenzahl in weiten Grenzen ermöglicht worden. Das Prinzip eines Drehstrom-Kollektormotors ist etwa folgendes: Man denke sich einen gewöhnlichen Drehstrommotor, dessen Stator in bekannter Weise gewickelt ist; der Rotor jedoch besitze eine Gleichstromwicklung mit Kollektor. Wird der Stator, der in Stern oder Dreieck geschaltet sein kann, an ein Drehstromnetz angeschlossen, so erzeugen die Drehströme ein rotierendes Feld, dessen Drehzahl n1 aus der Formel n1p : 60 = ~ sich berechnen läßt (2 p Anzahl der Pole, ~ Anzahl der Perioden des Netzes). Wird der Rotor in der Drehrichtung des Feldes mit der Tourenzahl n2 gedreht, so schneiden die Kraftlinien des Drehfeldes die Leiter des Rotors mit einer Geschwindigkeit, die der Drehzahl n1n2 entspricht, und erzeugen in ihnen eine elektromotorische Kraft von der Periodenzahl ~2 = (n1n2) p : 60. Legt man auf den Kollektor drei um 120° voneinander entfernte Bürsten auf (eine zweipolige Anordnung vorausgesetzt), so addieren sich die elektromotorischen Kräfte in allen Spulen, die zwischen zwei Bürsten liegen. Da der Kollektor sich mit n2 Touren dreht, so entspricht die Periodenzahl der Bürstenspannung der Tourenzahl (n1n2) + n2, d.i. n1, d.h. die Periodenzahl der Bürstenspannung ist gleich der Periodenzahl des Netzes, was erlaubt, die Bürsten an dasselbe Mehrphasennetz wie den Stator anzuschließen [1].

Hieraus ergeben sich die in den Fig. 4, 5, 6 schematisch dargestellten Anschlußmöglichkeiten, bezogen auf eine zweipolige Wicklung. In Fig. 4 ist der in Stern geschaltete Stator an das Netz angeschlossen, die drei Bürsten sind mit der veränderlichen Wicklung eines sogenannten Stufentransformators (s. Umformer) verbunden, dessen andere Wicklung gleichfalls am Netz liegt. In Fig. 5 sind die Anfänge der Statorwicklung mit dem Netz, die Enden mit der primären Wicklung eines sogenannten Zwischentransformators verbunden, während die sekundäre Wicklung an die drei Bürsten angeschlossen ist. Die Fig. 6 stellt eine Kombination von 4 und 5 dar, die man Kompoundmotor nennt. Durch den Statorstrom wird das rotierende Feld N0 erzeugt, welches seinerseits in jeder Phase eine elektromotorische Gegenkraft erzeugt, die proportional der Drehzahl z1 und der Tourenzahl n1 des rotierenden Feldes ist, also (I) e1' = C N0 n1 z1, wo C einen Proportionalitätsfaktor bezeichnet. Die an den Kollektorbürsten auftretende Spannung e2' ist proportional derselben Kraftlinienzahl N0, der Drehzahl z2 und der Geschwindigkeit, mit der das Feld die Kraftlinien schneidet, also proportional der Drehzahl n1n2, mithin (II) e2' = C N0 (n1n2) z2 Durch Division[535] von I und II


Motor [3]

Die Auflösung nach n2 ergibt:


Motor [3]

Diese Gleichung gilt für alle Drehstromkollektormotoren und zeigt, daß die Tourenzahl des Motors nur von dem Verhältnis der beiden Spannungen im Stator und Rotor und dem Verhältnis der Drehzahlen abhängt. Für den nach Fig. 4 geschalteten Nebenschlußmotor läßt sich die gewünschte Tourenzahl durch Einstellung der Spannung e2' erreichen, da e1' konstant und angenähert gleich der Netzspannung pro Phase ist. Die eingeteilte Spannung e2' ändert sich durch den Spannungsverlust in den Wicklungen bei veränderlicher Belastung nur wenig, so daß auch die Tourenzahl mit wachsender Belastung fast konstant bleibt. Das Verhalten dieses Motors gleicht dem eines Gleichstromnebenschlußmotors, nur ist er insofern besser als dieser, da seine Tourenzahl sich in wesentlich weiteren Grenzen regulieren läßt.

Bei dem durch Fig. 5 dargestellten Serienmotor liegen die Verhältnisse wesentlich verwickelter. Man kann hier die Kollektorbürsten, die beim Nebenschlußmotor auf Phasengleichheit der Rotor- und der Statorspannung eingeteilt sein mußten, beliebig verschieben. Hierbei subtrahieren sich die beiden Spannungen nicht mehr arithmetisch zur Netzspannung e0', sondern geometrisch, wobei sie miteinander den Bürstenverschiebungswinkel α einschließen (Fig. 7). Sind die Netzspannung e0' und der Bürstenverschiebungswinkel konstant, so wandert die Spitze C des Dreiecks auf der Peripherie eines Kreises. Bei Synchronismus ist e2' = 0, also gelangt C nach A und es ist e1' = e0' geworden. Berechnet man e1' für den Stillstand, so läßt sich hiermit die Lage des Punktes C feststellen. Läßt man z.B. in Fig. 5 den Zwischentransformator fort und macht z1 = z2, so liegt bei Stillstand C senkrecht über der Mitte von A B. Der Stromvektor bleibt hinter dem Spannungsvektor e1' immer um den Winkel α : 2 zurück, so daß die punktierte Linie B D die Richtung des Stromvektors im Diagramm angibt, der Motor [3] ABD ist dann der Phasenverschiebungswinkel φ. Das Diagramm zeigt, daß der Leistungsfaktor cos φ große Werte nur bei kleinen Bürstenverschiebungen und außerdem bei Tourenzahlen, die in der Nähe des Synchronismus, oder noch besser, darüber hinaus liegen, erreicht. Da aber andererseits die Größe des Drehmomentes von dem Bürstenverschiebungswinkel α abhängt, so kann man zu jeder Belastung die gewünschte Tourenzahl einstellen. Bei Aenderung der Belastung ändert sich auch die Tourenzahl, und zwar fast genau so wie beim Gleichstromserienmotor, d.h. sie nimmt bei Belastung ab, bei Entlastung zu und kann bei Leerlauf gefährlich hohe Werte annehmen. Die Drehstromserienmotoren haben in der Praxis mehr Eingang gefunden wie die Nebenschlußmotoren, auch da, wo reine Nebenschlußeigenschaften vorzuziehen gewesen wären. Der Grund dürfte hauptsächlich im hohen Preise derselben zu suchen sein. Eine nicht angenehme Zugabe bleibt aber auch beim Serienmotor der Zwischentransformator, welcher des Anlassens wegen für volle Spannung und damit gleichgroße Leistung wie der Motor selbst dimensioniert sein muß. Einfacher wäre ein Motor ohne Transformator, wie z.B. der Repulsionsmotor für Einphasenstrom, und man hat als Ersatz des Serienmotors tatsächlich auch zwei Repulsionsmotoren gekuppelt, die in Scottscher Schaltung miteinander verbunden waren. Heyland hat neuerdings einen Drehstromrepulsionsmotor konstruiert, bei dem der Transformator fortfällt; die Tourenregulierung geschieht a Hein durch Verstellen der Bürsten. Seine Eigenschaften sind ähnlich denen des Serienmotors [3].

Gewöhnliche Drehstrommotoren für zwei verschiedene Tourenzahlen kann man auf folgende Weise erhalten: a) Man wickelt auf den Stator eine vierpolige und getrennt hiervon eine sechspolige Wicklung. Ist der Motor ein Kurzschlußläufer, so erhält man mit einem solchen Motor bei 50 Perioden entweder 1000 oder 1500 Umdrehungen, je nachdem man die sechspolige oder die vierpolige Wicklung einschaltet. Da immer nur eine Wicklung benutzt wird, fällt der Motor groß und teuer aus. Dies wird vermieden durch die Polumschaltung von Dahlander, bei der die vorhandene Wicklung sich von 4 p Pole auf 2 p Pole umschalten läßt, die Tourenzahl sich also im Verhältnis 1 : 2 ändert [2], b) Hat man zwei Motoren, von denen der eine ein Motor mit Schleifringanker sein muß, zur Verfügung, die beide miteinander gekuppelt sind, so kann man die Kaskadenschaltung anwenden. Sie beruht darauf, daß man den Schleifringmotor mit seinem Stator aus Netz anschließt, den zweiten Motor dagegen an die Schleifringe des ersten. Sind beide Motoren für die gleiche Polzahl gewickelt, so ist die Tourenzahl die Hälfte von der, die die Motoren annehmen, wenn sie beide parallel aus Netz angeschlossen werden. Der zweite Motor kann auch mit Polumschaltung versehen sein, wodurch sich noch eine weitere Tourenzahl erzielen läßt. Die Drehstromkollektormotoren können gleichfalls anstatt aus Netz (vgl. Fig. 4, 5, 6) an die Schleifringe eines gewöhnlichen Drehstrommotors angeschlossen werden. Durch diese Kaskadenschaltung kann man die Tourenzahl des Drehstrommotors in seinen Abstufungen und weiten Grenzen ändern, eine Anordnung, die namentlich für große Leistungen bestimmt ist [1].


Literatur: [1] Arnold, Wechselstromtechnik, Bd. 5, 2. Teil. – [2] Holzt, Schule des Elektrotechnikers,. Bd. 2 u. 4, Leipzig 1913. – [3] Elektrotechn. Zeitschr. 1914, S. 85.

Holzt.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2., Fig. 3.
Fig. 2., Fig. 3.
Fig. 4.
Fig. 4.
Fig. 5.
Fig. 5.
Fig. 6.
Fig. 6.
Fig. 7.
Fig. 7.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 9 Stuttgart, Leipzig 1914., S. 534-536.
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Faksimiles:
534 | 535 | 536
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